Ried, 23. Oktober 2021: Defensive Lineman Jeffrey Owie verlässt ohne ein weiteres Wort die Kabine. Zu wenig kann auch er die letzten Stunden Fassen. Auch wenn andere Spieler bereits bei einem Bier wieder scherzen können ist die Emotion auf einem unerwarteten Tiefpunkt. Eigentlich hatte niemand mit der Niederlage gegen die Gladiators und dem vorzeitigen Ende der Saison gerechnet. Aber American Football ist eben American Football. Und oft sind es Kleinigkeiten die über Sieg oder Niederlage entscheiden. In diesem Fall waren es wohl 2 oder 3 Unkonzentriertheiten die sich nach einer langen und kräfteraubenden Saison eingeschlichen haben.
Doch beginnen wir am Anfang. Ich begleitete die die Saison der Reavers aus der Südsteiermark als Teamfotograf. Eine Aufgabe die viel Zeit on the Road und an der Sideline des Football Felds bedeutet. Die Saison der Styran Reavers war alles andere als erfolglos und ich durfte mit einem Team arbeiten, das nur sehr schwer zu schlagen war. So begann die Season bereits mit einem 26:0 Sieg in Aspernhofen bei den Blue Hawks. Im strömenden Regen war es nicht nur ein Kampf auf dem Spielfeld, sondern auch für mich ein Kampf gegen das Wetter, da ich improvisieren musste und meine Kamera in ein Plastiksackerl einwickeln musste um der Nässe halbwegs zu trotzen. Aber gerade wegen des Regens entstanden hier die absoluten Highlightshots des Jahres. Aber auch ich merkte dass mir noch ein bisschen der Rost in den Knochen steckte und bei einigen Shots einfach falsch stand. Neu war für mich auch ein Teil meines Equipments, denn nach langem Überlegen habe ich mir das Canon 300mm f2.8 L Objektiv gegönnt, das für einen Großteil meiner Shots in dieser Saison auf der Kamera war.
Football is Family
Eines wurde mir auch am ersten Tag der Saison wieder sofort klar. Die Reavers sind eine Familie. Aber nicht nur die Reavers, sondern auch die gesamte Football Szene in Österreich ist eine große Familie. So hart man sich am Feld begegnet, so fair geht es abseits der Spielzüge zu. Egal ob es das obligatorische auf die Knie gehen, so lange ein verletzter Spieler am Spielfeld liegt, oder der gemeinsame Flag Run nach dem Spiel ist, Sportsmanship wird groß geschrieben und macht auch einen großen Teil der Faszination des Sports aus. Dies schrieb sich auch in so vielen Situationen der Saison wieder.
So war es im vollkommen egal dass im vierten Viertel der engen Playoff Partie zwischen den Gladiators und den Reavers ein Reavers Receiver mit Krämpfen am Boden lag, denn die zwei Gladiators Defensive Backs waren sofort zur Stelle um zu Helfen.
Oder das Kind das funkelnde Augen hatte als das Reavers Team seinen Football signierten und ihm dabei erzählten dass Defensive Liner Flo Sudi auch im Nationalteam spielt. Dass der Kleine eigentlich ein Blue Hawks Fan war, war vollkommen egal, er sah die starken Jungs einfach als Helden, egal von welchem Team sie kamen.
That Gameday Feeling
Erstes Heimspiel der Reavers in Tillmitsch: Running Back Coach Marcel grinst mich an: „Es ist Gameday. Und Gameday ist immer mega. Sonne 25 Grad – mega, weil Gameday. Regen, 5 Grad – genauso mega weil Gameday!“. Worte die das Gefühl an solchen Tagen einfach perfekt treffen. American Football ist nicht nur ein Sport, es ist das ganze Drumherum. Beginnend beim Warm-up wo man den Hype der Spieler spüren kann und beim Eintreffen der Fans, Freunde und Bekannte wieder trifft und über das anstehende Game philosophiert, endend erst lange nach dem Schlusspfiff, wo entweder der Sieg noch bei Bier und Hotdogs/Burgern gefeiert wird, oder die Niederlage verarbeitet und die Motivation für den nächsten Gameday aufgebaut wird. Egal ob für die Spieler oder für mich als Fotograf: Das Game verlangt in Sachen Konzentration extreme Leistungen. Daher ist das anschließende Getränk mit Freund_innen immer der perfekte Cooldown.
Die kalte Dusche gab es übrigens auch an diesem Gameday #2 als die Legionaries aus Fischamend den Reavers mit 35:7 die erste Niederlage seit dem Ligaeinstieg beibrachten. Aber auch diese Tage, an denen einfach nichts läuft, gibt es eben im Football. Hier hilft es nur die Niederlage zu vergessen und mit einem Satz extra Motivation und nächste Game zu gehen. Und der frühe Weckruf in der Saison half auch. Denn bis zu Ende der Regular Season blieb es die letzte Niederlage.
Eines der persönlichen Highlights war das letzte Heimspiel gegen die Blue Hawks, wo an die 500 Fans das Julius Meindl Stadion in Ragnitz in ein wahres Footballfest verwandelten. Denn mit 47-7 würde der Höchste Sieg der Vereinsgeschichte nur um einen einzigen Punkt verfehlt. Auch die 25 Grad an diesem Herbsttag war perfektes Wetter um mit Familie oder Freunden einen gemütlichen Sonntagnachmittag zu verbringen und jede Menge Big Plays – Sowohl In der Offensive als auch in der Defensive zu sehen. MVP (Most Valuable Player) und meist gefeitester Spieler war an diesem Tag Offensive Lineman Stefan Sudi, der trotz seiner eigenen Hochzeit am Vortag topfit war, das ganze Spiel durchspielte und wie eine undurchdringbare Mauer in der Offensive Line war.
Das Sudi aber generell ein zäher Hund ist zeigte sich beim nächsten Spiel gegen die Carnuntum Legionaries. Denn in einem Spiel, in dem es vor allem um die Revanche für die Heimniederlage ging, brach er sich Mitte des zweiten Viertels den Finger, ließ sich diesen aber einfach an den nebenliegenden tapen und spielte den Rest des Games fertig. Und waren es das letzte Mal die Reavers, die sich durch Fehler um die wichtigen Punkte brachten, so waren es an diesem Tag die Legionaries, die sich zu viele Fehler leisteten. So hatte DB Noah Navarro grandiose drei Interceptions und wurde zum Gamewinner für die Reavers.
Das eine Saison auch mit nur 6 Spielen sehr lange sein kann, wurde auch mir bewusst. Denn Fototage mit langer An- und Abreise verlangten mir auch einiges ab. Vor allem weil die Fotos noch am gleichen Tag fertig bearbeitet sowie hochgeladen sein sollten. Und die ca. zwei- bis dreitausend Fotos die ich an so einem Tag machte, müssen ja auch kopiert, gesichtet und editiert werden.
Doch auch die Reavers sollten die lange Saison mit jeder Menge Ausfällen zu kämpfen haben. Als Faustregel kann man sagen, dass sich pro Spiel zumindest ein Spieler der Mannschaften so schwer verletzt, dass die Saison für ihn vorbei ist. So fielen auch den Reavers auf einigen Positionen Schlüsselspieler aus, die sie im Playoff gut hätten gebrauchen können.
So endete die Season wohl einen Spieltag zu früh. Die Playoff Niederlage in Ried ist aber auch nur eine Station auf dem weiteren Weg nach oben, denn die Reavers werden nächstes Jahr in der Division II Angriff auf die Iron Bowl nehmen. Eines konnte ich schon am Tag nach dem Saisonende feststellen: Die Reavers Family ist brandheiß auf die Revanche im nächsten Jahr.