„Lustig wäre es, wenn die Straße jetzt gesperrt wäre.“, scherzte Steve noch, bevor wir zwei Kurven später tatsächlich an einem Fahrverbotsschild halten mussten. Manchmal sollte man sich eben im Vorhinein besser erkundigen. Dass die direkte Zufahrt zu den Drei Zinnen im Winter nicht möglich ist, zum Beispiel. Und so standen wir rund zweieinhalb Stunden vor Sonnenaufgang sieben Kilometer entfernt von unserem geplanten Fotospot. Es blieb uns nichts anderes übrig, als in der eisigen Nacht den Fußmarsch in Richtung Auronzo Hütte anzutreten. Zum Glück gab es einen Wanderweg, wo der Schnee bereits ein bisschen niedergetreten war, was uns den Aufstieg um einiges erleichterte. Die sternenklare Nacht und der reflektierende Schnee machten den Einsatz einer Taschenlampe überflüssig, weshalb die Wanderung in völliger Stille eine ganz besondere Stimmung hatte. Als wir über die Waldgrenze stießen und nach gut einer Stunde Marsch endlich die steilen Felswände der Drei Zinnen vor uns aufsteigen sahen, setzte bereits eine leichte Morgendämmerung ein. Ich machte meinen ersten Shot von der jetzt schon beeindruckenden Kulisse mit dem Ministativ, das ich für alle Fälle im Rucksack hatte.
Als wir gut 45 Minuten später an der Auronzo Hütte ankamen, überzog ein pinker Schleier die Bergketten in westlicher Richtung. Den Punkt, an dem wir eigentlich zu Sonnenaufgang stehen wollten, konnten wir durch den langen Fußmarsch nicht mehr erreichen und so entschied ich mich kurzerhand den Sonnenaufgang mit der Capella degli Alpini im Vordergrund zu fotografieren. Gesagt – getan. Doch dies war nicht das Ende unserer Wanderung, da wir die Drei Zinnen auch noch vom Patternsattel aus betrachten wollten. Hier ist der klassische Fotospot, an dem die Ausprägung der Felsformation besonders gut zu sehen ist.
Der Vorteil unserer Fußwanderung: Da dies die einzige Möglichkeit war, um zu dieser Zeit an diesem Ort zu sein, hatten wir die alleinige ungestörte Aussicht. Ein Fakt, der uns erst richtig bewusst wurde, als uns am Rückweg Scharen an Touristen entgegenkamen, die sich mit dem Schneemobil Shuttle, das ab 8 Uhr vom Parkplatz (an dem auch unser Auto stand) aus fährt, zur Auronzo Hütte bringen ließen. Doch zum Glück hatten wir vor dem Ansturm in aller Ruhe unser Frühstück am Fuße der östlichen Zinne genießen und Pläne für unseren zweiten Tag in Südtirol schmieden können. Und dieser sollte ebenfalls mit den Drei Zinnen zu tun haben…
18 Stunden später: 03:30 Uhr früh. Der Wecker holte mich und Steve aus einem viel zu kurzen Schlaf. Unseren Plan, den Tag mit Snowboarden zu verbringen, hatte ich beim ersten Anblick der Drei Zinnen am Vortag bereits schnell verworfen. Beim Googeln von dem besten Ausblick auf die Drei Zinnen wurde ich beim 2.839 Meter hohen Dürrenstein fündig, der gegen Ende des Jahres ein ganz besonderes Naturschauspiel bietet: Denn vom Gipfel kann man die Sonne beobachten, wie sie genau zwischen zwei Zinnen aufgeht. Eine stellare Konstellation, die nur kurz vor Ende des Jahres möglich ist. Diese Chance konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, weshalb wir schon äußerst früh zur Plätzwiese, dem Ausgangspunkt unserer Gipfelwanderung, aufbrechen mussten.
Und wieder einmal spielten uns die Straßenverhältnisse auf diesem Trip nicht in die Hände. Die eisige Fahrbahn zur auf zirka 2000 Metern gelegene Plätzwiese war beim ersten Anlauf zu viel für meinen frontgetriebenen Audi. Auch der zweite Versuch, gestartet nach einem Kilometer Zurückschieben, klappte nur mit Ach und Krach. Aber geschafft ist geschafft. Die leider verlorene Zeit mussten wir also auf der Wanderung zum Gipfel wieder wett machen. Laut meiner Recherche waren für den Aufstieg zirka 2 – 2,5 Stunden einzukalkulieren. Eine Zeit, die Steve und ich auf Grund unseres Tempos und einigen Direttissima Abkürzungen durch Schneefelder dann doch deutlich unterboten. Nach einer Stunde und 40 Minuten standen wir – zwar völlig durchgeschwitzt aber glücklich – am Gipfel. Aber nicht alleine. Denn das Naturschauspiel ließen sich auch einige andere Naturfotografen nicht entgehen. Und so warteten wir in guter Gesellschaft auf den Sonnenaufgang. Der leider nicht kam …
Denn der Himmel in Richtung Südosten war wolkenverhangen und so deutete lediglich ein orange-violetter Steifen am Horizont auf die aufgehende Sonne hin. Eine Spur der Enttäuschung zog sich sichtlich durch die Gesichter der anwesenden Fotografen. Nichtsdestotrotz war die Aussicht auf die Drei Zinnen, den Paternkofel und zahlreiche andere Gipfel der Sextner Dolomiten den Aufstieg und die Strapazen wert und bot auch beim Abstieg noch jede Menge Gesprächsstoff. Ohne Zeitdruck und mit einigen Fotopausen legten wir den Abstieg innerhalb zirka zwei Stunden zurück. Angekommen am Auto mussten wir auch schon wieder den Weg nach Hause antreten und waren am frühen Nachmittag bereits wieder in den trauten vier Wänden, wo ich schon mit dem Planen der nächsten Dolomitenmission begann. So viel sei verraten, die Aussicht wird wieder eine ganz besondere. Aber jetzt erst einmal viel Spaß mit den Fotos dieses Trips.